Alex R. Furger

Archäometallurgie

In langen Jahren der Beschäftigung mit allen Epochen, vor allem mit dem Neolithikum und der Römerzeit, fokussierte ich mich je länger je mehr auf die Geschichte der Metallverarbeitung. Wenn ich als Archäologe Funde begutachte und beschreibe, möchte ich wissen, aus welchen Rohmaterialien und mit welchen Techniken sie hergestellt sind. Um dies nicht «vom Schreibtisch aus» zu tun, will ich alle metallverarbeitenden Techniken, deren Spuren ich am Fundgut beobachten kann, auch selbst ausprobiert haben. Nur so traue ich mir zu, die Herstellung von Objekten treffend beschreiben zu können. In Zweifelsfällen können die Archäometrie und die Experimentelle Archäologie viel dazu beitragen, ob Vermutungen erhärtet werden können oder widerlegt werden müssen.


Fazit meiner bisherigen Arbeiten mit Experimenteller Archäologie

Die Erfahrungen und Schlussfolgerungen machen bewusst, dass in der Experimentellen Archäologie, vor allem wenn ‘ausgestorbene’ Technologien erkundet werden sollen, die mangelnde Erfahrung und Routine der Experimentatorinnen und Experimentatoren nur ansatzweise repräsentative Angaben zu Zeitaufwand, Energiebedarf, Qualität usw. der Endprodukte erlauben im Hinblick auf das einst Machbare. Bei noch nicht ganz ‘ausgestorbenen’ handwerklichen Arbeiten können wir immerhin noch alte Meister – oder ‘Traditionalisten’ in der Dritten Welt – befragen, ‘wie es früher war’. Mit anderen Worten: Auf der Basis langer Erfahrung und optimierter Produktionsbedingungen sind in der Antike handwerkliche und werkstofftechnische Spitzenstücke gelungen. Als heutige Experimentatoren müssen wir akzeptieren, dass wir beim Rekonstruieren solch alter, ausgestorbener Handwerkstechniken wie Lehrlinge wieder ‘bei null’ beginnen müssen. (aus: Antike Stahlerzeugung, Basel 2019, 152)

Einige meiner Projekte:

(ausgewählte Publikationen)

1980–2000: Praktische Handwerkstechniken mit Metallen erproben: Ziselieren, Schmieden, Giessen im Wachsausschmelzverfahren, Hartlöten usw., durch Kursbesuche, autodidaktisch, in Afrika und im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz

1993–1995: Untersuchung der Halbfabrikate, Fehlgüsse usw. aus römischen Bronzegiesserwerkstätten in Augusta Raurica, Legierungs-Rekonstruktionen und Experimente zur «antiken» Materialprüfung ([mit Josef Riederer], Aes und aurichalcum. Empirische Beurteilungskriterien für Kupferlegierungen und metallanalytische Untersuchungen an Halbfabrikaten und Abfällen aus metallverarbeitenden Werkstätten in Augusta Raurica. Jahresberichte aus Augst und Kaiseraugst 16, 1995, 115–180)

1992–2003: Kleinere Arbeiten und Stellungnahmen zur Experimentellen Archäologie (Experimentelle Archäologie in Augusta Raurica. In: M. Schmaedecke (Hrsg.), Probieren geht über Studieren. Begleitheft zur Ausstellung «Experimentelle Archäologie» im Kantonsmuseum Baselland Liestal. Archäologie und Museum 26 [Liestal 1992] 30–35; Experimentelle Archäologie als Instrument der Vermittlung? Archäologie der Schweiz 26/2, 2003, 92–94)

2011–2014: Forschungsprojekt «Römische Bronzegiesser in Augusta Raurica», Untersuchung und Analysen der Gussformen und Halbfabrikate sowie aller 893 Schmelztiegel, ergänzt durch aufwändige Giess- und Zementations-Experimente mit authentisch rekonstruierten Tiegelrepliken ([mit Beiträgen von Markus Helfert], Antike Schmelztiegel. Archäologie und Archäometrie der Funde aus Augusta Raurica. Beiträge zur Technikgeschichte 1 / Studies in the History of Technology Vol. 1 (Basel 2018)

2013–2017: Feldstudien in zahlreichen Giesser-, Ziselier-, Feuervergolder-, «Repoussé»- und Silberschmiedewerkstätten in Patan (Nepal) mit dem Ziel, nicht nur die dortigen, sehr traditionellen Metallbearbeitungstechniken zu dokumentieren, sondern auch den kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekten des Handwerks nachzugehen ([mit einem Beitrag von Ratna J. Shakya], Der vergoldete Buddha. Traditionelles Kunsthandwerk der Newar-Giesser in Nepal / The gilded Buddha. The traditional art of the Newar metal casters in Nepal (Basel 2017)

2016–2017: Herstellung resp. Rekonstruktion einiger «antiker» Kupfer-, Bronze-, Messing, Silber- und Goldlegierungen (inkl. «Verunreinigungen»); stufenweises Ausschmieden, Ausglühen, Abschrecken (Rekristallisieren) und erneutes Schmieden der Buntmetalle, kombiniert mit Härtemessungen (Antike Buntmetalllegierungen im Experiment: Formbarkeit und Härteverhalten beim Kaltschmieden, Glühen, Abschrecken und Rekristallisieren. – Behavior of Malleability and Hardness during Cold-forging, Annealing and Recrystallization. In: Experimentelle Archäologie in Europa. Bilanz 2017 [Oldenburg 2017] 25–44)

2016–2019: Experimentelle Rekonstruktion römischer Stahlherstellung durch Zementation, d.h. Aufkohlung von Weicheisen mittels Holzkohle und unter Luftabschluss bei sehr langer Glühdauer (Zur antiken Stahlerzeugung. Ein Nachweis der Aufkohlung von Eisen aus Augusta Raurica. Beiträge zur Technikgeschichte 2, Basel 2019)

2017–2019: Experimenteller Nachvollzug «natürlicher» Schleif- und Poliermittel auf verschiedenen Buntmetallen; praktische Aufbereitung zahlreicher Abrasiva (Schmirgel, Quarzsand, Bimsstein etc.) zu Schleif- und Polierpulvern; Erhebung ihrer Wirksamkeit; Sammlung archäologischer und schriftlicher Belege zu diesen Schleif- und Poliermitteln (A. R. Furger, Abrasiva. Schleif- und Poliermittel der Metallverarbeitung in Geschichte, Archäologie und Experiment. Beiträge zur Technikgeschichte 3, Basel 2020 [in Vorbereitung])

Seit 2018:  Zusammenstellung eines umfassenden Corpus von Schmelztiegeln; praktische Experimente zu Tonen und ihren Mischungen, zur Tiegelherstellung und zu ihrem Verhalten im Feuer (Crucibles in the occident. A chronology of crucibles in non-ferrous metallurgy from ancient Egypt to the beginning of industrialisation [in Vorbereitung])